Kollektive Pathologien im Wandel der Zeit
Bei all den nicht mehr abreißenden Miseren und Skandalen unserer Zeit, musste ich schon so oft an unser aller Vergangenheit denken. Wie bei jedem von uns, so auch in der Geschichte der Menschheit hat sich schon so vieles immer dann noch mal wiederholt, wenn nicht genug daraus gelernt werden konnte. Wir sind dazu verdammt den gleichen Fehler solange immer wieder zu tun, bis wir bereit sind uns wirklich zu verändern. Nur erkennen wir es meist erst hinterher, weil sich das Gesicht dieses Fehlers uns jedes mal ganz neu zeigt. Stehen wir nun wirklich am Ende, oder tatsächlich erst auf der Halbzeit unserer Evolution? Mir scheint, dass wir es heute mit der Globalisierung das dritte Mal in unserer Geschichte mit einer fatalen Mord-Maschinerie zu tun haben.
War Hitler wirklich der letzte seiner Art?
Die Geschichte, speziell die der Deutschen, zeigte uns schon einmal, wie fatal ein kollektives wegkucken werden kann. Es gibt zur Zeit sehr viele sogenannte „Verschwörungstheoretiker“, und mir scheint, es werden täglich mehr! Wir weigern uns einfach sie wirklich ernst zu nehmen, aber warum? Denn sollte irgendwo auch nur ein Stückchen Wahrheit daran sein, täten wir sicher gut da nochmal genauer hinzusehen.
Schon im Mittelalter gab es organisierte Massenmorde. Man denke da nur mal an die Hexenverfolgung. Was haben all diese menschheitsverachtenden Machenschaften gemeinsam? Ich sehe darin die pathologischen Auswirkungen einer jeden Entwicklungsstufe unserer Spezies. Die Kirche war damals geprägt von einem magisch denkenden egozentrischen Bewusstsein.
Gut und Böse waren noch klar voneinander getrennt und ermöglichte so den Wahnsinn einer „Ausrottung des Bösen“ zugunsten des Guten. Eine kollektive Schattenprojektion verlagerte das Böse ins Außen und wurde dann dort, und nur dort, penibel gesucht und grausam verfolgt. Dabei legten die Verfolger genau die selbe unzivilisierte Grausamkeit an den Tag, die sie ihren Verfolgten vorwafen.
Nichts anderes geschah in Deutschland vor nur 70 Jahren zur Zeit des Nationalismus, nur dass wir nicht nur einzelne Individuen (Egos) verfolgten, sondern, entsprechend unseres damaligen ethnozentrischen Bewusstseins, hier natürlich ganze ethnische Gruppen beschuldigt und verteufelt wurden.
Ist Globalisierung der moderne Faschismus unserer Zeit?
Wir sind kollektiv gesehen jetzt wieder eine ganze Stufe weiter gekommen auf unserer Leiter der Entwicklung. Die Evolution hat sich einen Schritt weiter gedreht. Zumindest in der sogenannten „Westlichen-Welt“ haben wir uns schon größtenteils aus der ethnozentrischen Falle befreit. Doch nun stehen wir kollektiv gesehen in unserer ökozentrischen Phase plötzlich vor noch weitaus größeren Problemen.
Das bittere Fazit
Die Hexenjagd war eine furchtbare kollektive egozentrische Pathologie. Der Faschismus war eine kollektive ethnozentrische Pathologie mit noch weitaus grausameren Folgen. Die sich selbst überlassene Globalisierung ist eine kollektive ökozentrische Pathologie, die sich jetzt nicht nur gegen einzelne Personen, oder eine Volksgruppe richtet, sondern, mit wahrscheinlich noch weit schlimmeren Folgen, gegen das Menschliche und das Leben überhaupt.
Wir sind dabei unsere Werte dadurch zu verlieren, dass wir sie als gegeben und gesichert halten. Aber in einer Globalisierung der Wirtschaft, die sich selbst überlassen bleibt, wird der Mensch einfach überfahren werden. Nicht jeder Lebensbereich darf zu einer Ware werden. Die Welt ist keine Ware. Dieser Weg führt zum industriell hergestellten, zum von außen gesteuerten, überwachten und erfassten Menschen, wenn wir nicht rechtzeitig die bewusste Entscheidung dagegen fällen.
Liebe macht blind
Haargenau wie vor ca. 400 und vor 70 Jahren, läuft auch hier der Prozess gegen uns, weil wir uns weigern, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Wir sind dabei, die Artenvielfalt und die Urwälder zu verlieren, weil wir ihre Zerstörung und deren Konsequenzen nicht wirklich vor Augen haben.
Die Klimaveränderung vollzieht sich, weil wir nicht bereit sind, den Prozess für real zu halten. Ohne das Bewusstsein, dass sich ein Rechtsstaat auflösen kann, wird er sich auflösen. Ohne das Bewusstsein, dass uns die Presse und Meinungsfreiheit verloren gehen kann, werden wir sie verlieren. Ohne das Bewusstsein, dass wir um eine Demokratie werden kämpfen müssen, wird sie uns nicht bleiben. Wie in unserer Vergangenheit auch, sind wir wohl alle wiedermal so verliebt in unsere Weltsicht, dass wir ihre Fehler und Pathologien nicht mehr erkennen können.
Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung, und machmal ist es eine tödliche
Wir stehen in dem bedeutungsvollen Moment unserer Geschichte, in dem sich entscheidet, ob menschliches Leben zur Ware werden darf. Ob menschliches Leben selektiert oder geklont werden soll, das ist eine Menschheitsfrage, die nicht in den Labors und unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden werden darf.
Sie müsste, wenn Demokratie jemals einen Sinn gehabt haben soll, im weltweiten Diskurs, im globalen Dialog entschieden werden. Doch wie weit sind wir noch davon weg, wenn die führenden Nationen dieser Erde immer noch ihre Machtspielchen miteinander treiben müssen, wie es aktuell in Syrien wiedermal zu sehen ist … Wir hätten im Moment wahrlich wichtigeres zu tun, doch die Ignoranz kennt heutzutage ja keine Grenzen. Man möchte am liebsten zum Himmel hinaufschreien: „Herrgott, bitte lass es Hirn regnen …“
„Wir erleben die größte Realitätsflucht aller Zeiten. Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt dessen liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“ (Hannah Arendt)
Mir kommt es vor als hätten wir aufgehört zu denken. Als hätten wir jede Verantwortung einfach an unsere Maschinerie der Globalisierung abgegeben. Als würden wir uns damit weigern eine Person, ja sogar ein Mensch zu sein, der noch genug Rückrad hat Verantwortung zu übernehmen und für seine Taten oder Missetaten, und dafür dann auch einstehen kann.
Wenn wir uns nicht darauf besinnen das Menschliche und unsere Werte zu schützen, wird es bald schon kein Zurück mehr geben. Denn wir stehen heute vor der ungeheuren Herausforderung, der Menschheit tiefe ethische Werte, Sensibilität für die Bedürfnisse anderer, freiwillige Einfachheit und eine klare Einsicht in die ökologischen Imperative einzuflößen.
Ist es nicht seltsam? Vor gerade Mal ein paar Jahrhunderten wurde die Evolution, auf einem kleinen, kaum bemerkenswerten Trabanten eines unbedeutenden Sterns ihrer selbst bewusst. Und von genau diesem Zeitpunkt an begann eben das, was der Evolution ihrer selbst bewusst zu werden erlaubte, auf seinen eigenen Untergang hinzuarbeiten. Und das ist das Allerseltsamste. (Ken Wilber)