Vor etwa neun Jahren zog ich zum Weiterstudium nach Deutschland. Seitdem stellte ich mir öfter die Frage, ob ich mich erfolgreich integrierte? Erfüllte ich bereits meine Verantwortungen? Neulich fragte ich mich, ob solche Verantwortungen und Erwartungen beiderseitig sind? Habe ich als ein Einwanderer mehr Verantwortungen als Deutsche?
Was bedeutet die Integration?
Die Bundesausländerbeauftragte definiert die Integration als
„die Eingliederung in ein Ganzes, die Herstellung einer Einheit aus einzelnen Elementen oder die Fähigkeit einer Einheit, den Zusammenhalt der Teilelemente auf Grundlage gemeinsamer Werte und Normen zu erhalten“.
Während der erste Teil dieser Definition eine Auflösung in das Ganze darstellt, fordert der zweite Teil eine gemeinsame Bemühung.
Aber die erste Interpretation von Integration, d.h. eine einseitige Bemühung der Ausländer sich in die Gesellschaft einzugliedern, ist leider das verbreitete Verständnis. Das ist nämlich die Frage, die Sie sich bestimmt auch mal gestellt haben: „Hat der/die Ausländer/in sich integriert?“
Wie wir das Verb „integrieren“ verwenden, reflektiert unser Verständnis davon. Man kann nicht mit „Integration“ eine Deutsche nach ihren Verantwortungen fragen!
Wir verwenden oft „Engagement“ für Einheimische. Das heißt eine freiwillige Sache und keine Verantwortung. Ist es so, dass Ausländer sich bemühen müssen und Deutsche in ihrer Freizeit ihnen dabei helfen dürfen? Ist die Integration dann doch nicht die
„Fähigkeit der Gesellschaft, den Zusammenhalt der Teilelemente auf Grundlage gemeinsamer Werte und Normen zu erhalten“?
Wie soll die Integration interpretiert werden?
Man spricht von Integration, wenn die Zuwanderung gesetzlich abgeschlossen ist. Ausländer haben einige gesetzliche Anforderungen erfüllen müssen, bevor sie offiziell zu dieser Gesellschaft gehören. Sie sind gesetzlich da, genauso wie Sie gesetzlich einen deutschen Reisepass haben.
Nun sind wir alle Teil einer Gesellschaft, unserer Gesellschaft, und zwar als Menschen alle gleichberechtigt. Unsere Gesellschaft erlebt gerade eine besondere Situation, dass unterschiedliche Kulturen, Religionen, Werte und Lebensstile zusammenkommen und aus diesen Unterschieden ein Gemeinsam gebildet werden muss. Unserer Gesellschaft steht eine Transformation vor, die wir alle zusammen fortfahren müssen. In diese Transformation muss jeder sich integrieren, sogar die Deutschen!
Wann ist die Integration erfolgreich?
Wir alle glauben an einigen Grundrechten und Gesetzen. Die Unterschiede bleiben jedoch bestehen und werden nicht aufgelöst. Wir sind alle verpflichtet, die anderen zu verstehen und sich für Findung der gemeinsamen Werte zu bemühen. Es gibt keine zuständige Seite. Wenn es eine Verpflichtung ist, dann für alle, und wenn es nur ein Engagement ist, dann auch für alle!
Also, …
- wenn wir Ausländer fragen, ob sie sich integriert haben, müssen wir auch Einheimische fragen, ob sie sich für die Integration geöffnet haben.
- wenn wir Ausländer fragen, ob sie bereits deutsch gelernt haben, müssen wir auch Deutsche fragen, ob sie jemals versucht haben, gebrochenes deutsch zu verstehen, ohne demütigende Gesichtsausdrücke zu machen.
- wenn wir Ausländer fragen, ob sie sich bemüht haben, ein soziales Leben zu führen, müssen wir auch Deutsche fragen, ob sie ihre ausländischen Nachbarn freundlich empfangen haben.
Die Liste der Verantwortungen kann unendlich werden. Die Botschaft ist jedoch klar: Es gibt immer beiderseitige Verantwortungen und Erwartungen!
Ein Gastbeitrag von Emad Sadeghipour