Mosul und die Doppelmoral der Presse
Der Angriff auf den „Islamischen Staat in Mosul (oder Mossul) von irakischen und kurdischen Truppen schreitet mit tatkräftiger Beihilfe der westlichen Koalition (durch gezielte Luftschläge) voran und wird unter beifälligen Kommentaren der westlichen Presse zerbombt. Denn Mosul soll von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ befreit werden. Viele zivile Verletzte und Tote sind zu erwarten, der Kampf soll mehrere Wochen oder Monate dauern.
In Aleppo dagegen ist nun Waffenruhe. Endlich ist die Allianz von Russland und den regulären syrischen Truppen unter Assad gestoppt worden, vielleicht auch durch den Sturm der Entrüstung der in der westlichen Presse entfacht worden war.
Erklären Sie nun den Unterschied. Mosul ist eine Hochburg des IS, wohingegen Aleppo nur noch vom IS verteidigt wird.
Fluchtkorridor für Terrormiliz „Islamischen Staat“?
Falls Ihnen auf Anhieb kein signifikanter Unterschied einfällt, will ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Mosul wird von den „Guten“ zerbombt werden und Aleppo von den „Bösen“. Der andere Unterschied ist, dass in Mosul ein Fluchtkorridor für die Terroristen des IS freigehalten wird. Zur syrischen Grenze sind es gemäß Google Maps 116 km oder 1 Stunde und 41 Minuten Fahrzeit.
Am 15. Oktober 2016 veröffentlichte Andalou auf Twitter einen „sensitiven“ Operationsplan für Mosul. Unter Punkt 4 heißt es:
„Der Fluchtkorridor nach Syrien wird für Daesh (alias IS) offenbleiben, damit sie (die IS-Kämpfer) darüber Mosul verlassen können“. [1]
Woher die Informationen stammen, ist unklar.
Tatsächlich sieht es auf einer Karte, die der Daily Mail veröffentlichte, aber ebenfalls so aus, als würde die internationale Koalition Mosul von allen Seiten her angreifen, nur nicht auf der Seite, die Syrien gegenüberliegt. [2]
Beunruhigende Gemengelage
Gegenwärtig ist die Lage im Nordirak völlig unübersichtlich. Die westliche Koalition (ca. 5000 US-„Berater“ und Spezialkräfte und eine Koalition der Willigen), Kurden (Peschmerga), schiitische Milizen und Türken treten sich gegenseitig auf die Füße. Insgesamt versammeln sich ca. 40.000 Truppen um die Stadt herum. Der Irak fordert den Abzug der Türkei, was Meister Erdogan jedoch ablehnt, er fürchtet die Bildung eines autonomen kurdischen Staates. [3] Ein NATO-Staat bricht also das Völkerrecht und keinen interessiert es, was die schwache irakische Regierung dazu meint.
Gleichzeitig bekämpft die Türkei die kurdischen Kämpfer in Syrien und möchte einen kurdischen Staat , der sich über Teile des Nordirak, Syriens und des Irans erstrecken könnte mit allen Mitteln verhindern.
Die Bevölkerung in der Provinz Mosul besteht mehrheitlich aus Kurden und sunnitischen Arabern. Der Iran mit seiner überwiegend schiitischen Bevölkerung ist von Mosul nur etwa 200 km entfernt. Zu allem Überfluss ist das Gebiet auch noch reich an Erdölvorkommen und gilt als eine der wohlhabenderen Regionen im Irak.
Mit einer zukünftigen amerikanischen Präsidentin Hillary Clinton wird die Lage noch brisanter. Denn sie hat bereits 2008 angekündigt, als Präsidentin den Iran angreifen zu wollen!
Zweierlei Berichterstattung
Das internationale Rote Kreuz warnte davor, dass die Kämpfe zu einer humanitären Krise führen würden und bis zu 1 Million Flüchtlinge zur Folge haben könnten. Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O´Brien zeigte sich extrem besorgt über die Sicherheit der Einwohner von Mosul, die Opfer der militärischen Operationen während der Wiedereinnahme der Stadt werden könnten.
Der britische Guardian spricht von einer lang erwarteten Offensive, um Mosul nach zwei Jahren unter der Herrschaft von ISIS zurückzuerobern. Der irakische Premierminister Haider al-Abadi wird aus einer Ansprache zitiert, in welcher die Rede von Sieg und Befreiung ist. Auch der Spiegel [4] hebt die zu erwartenden Erfolge der irakischen Armee hervor. Die Rückeroberung von Mosul durch die „Guten“ geht anscheinend völlig ohne zivile Opfer vor sich, wenigstens war bislang nichts dergleichen in der Presse zu lesen. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass ebenfalls nur wenige der IS-Kämpfer getötet oder gefangen (?) werden.
Einen Tag vor dem Bericht über den Beginn der glorreichen Eroberung Mosuls berichtete der Guardian noch ausführlich über die Sanktionen gegen Russland, die im Gespräch sind. Man wird sehen, ob die freie Presse nach der Rückeroberung Mosuls ähnliche Forderungen gegen die westlichen Koalitionstruppen erhebt, oder ob die Einnahme der IS-Hochburg wundersamer Weise so unblutig bleibt wie sie es bis jetzt zu sein scheint.
Erinnerungen an Tora Bora
Die wirklich spannende Frage wird am Ende aber lauten: Werden wir eine Neuauflage des Tora Bora Disasters erleben, als Osama Bin Laden und seine Genossen von der CIA per Hubschrauber aus der Klemme geholt wurden, oder werden die 6.000 bislang in Mosul stationierten Mordbuben mitsamt ihren Toyotas noch anderswo benötigt?
Werden wir wieder Karawanen von reisenden Kopfabschneidern sehen, die unbehelligt durch die Lande und den eigens freigehaltenen Fluchtkorridor Richtung Syrien ziehen, etwa um die Kollegen im schwächelnden Aleppo zu verstärken?