Die Bilder gleichen jenem vom letzten Jahr und es scheint sich nichts verändert zu haben. In Italien, aber speziell in Sizilien spielen sich wieder die schon zur Gewohnheit gewordenen Szenarien ab, nur dass die Zahlen in diesem Jahr noch alarmierender sind: Mehr als 2000 Flüchtlinge aus Afrika strömen täglich auf die größte Insel im Mittelmeer, was einer Steigerung von 90 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. In den Medien werden wieder die Opfer einer hilflosen EU-Politik betrauert, denn nach wie vor sendet ein im Kern uneiniges Europa das Signal der offenen Grenzen hinaus in die Welt.
Immer gefährlichere Fluchtrouten
Durch den von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel heillos vorangetriebenen „Türkei-Deal“, scharen sich unter den Augen der Verantwortlichen und von der deutschen Medienlandschaft kaum thematisiert, Tausende Menschen, hauptsächlich in Libyen zusammen, um über das Mittelmeer nach Italien überzusetzen. Vorwiegend handelt es sich hierbei um junge Männer, in der Regel Muslime. Bei einer noch gefährlicheren Fluchttragödie vor einigen Tagen, machten sich mehrere Boote aus Richtung Ägypten auf den Weg nach Sizilien. An Board befanden sich überwiegend Somalier und Eritreer. Die Boote kenterten und es gab mehr als 400 Todesopfer.
10.000 Flüchtlinge pro Woche
Nach Berichten der britischen „Dailymail“ sind die seit Tagen auf Sizilien ankommenden Flüchtlinge, in der großen Mehrzahl junge Männer, die sich mit Hilfe zahlreicher Schlepper auf den Weg über das Mittelmeer machten, wo sie meist von der EU-Grenzschutzagentur „Frontex“ oder der italienischen Marine aufgegriffen werden. So betraten auf Sizilien in den letzten fünf Tagen etwa 10.000 Flüchtlinge europäischen Boden.
Trauriges Jubiläum
Das nun vor einigen Tagen in den Fokus gerückte neuerliche Unglück trifft zusammen mit einem traurigen Jubiläum. Vor genau einem Jahr begann auf diese Weise die „Flüchtlingskrise“, die Europa, besonders aber die Bundesrepublik Deutschland, durch eine Politik der Untätigkeit und Hilflosigkeit in eine schwere Krise stürzte, bei der Folgen und Auswirkungen längst noch nicht abzusehen sind und die den Geist eines vereinten Europas bis heute spaltet.
Schon damals hätte Europa ein deutliches Signal aussenden müssen, mit der Kernbotschaft, dass die Europäische Gemeinschaft nicht in der Lage ist afrikanische Armutsflüchtlinge oder Verfolgte, Abermillionen aus allen Teilen der Welt, aufzunehmen. Australien hat es aufgezeigt. Stattdessen verdreifachte die Europäische Union das Budget für die Seenotrettung, was zur Folge hat, dass nun noch mehr Flüchtlinge noch gefährlichere Seerouten auf sich nehmen und die Zahlen deutlich ansteigen. Eine sinnvolle Lösung der Problematik kann nur in den jeweiligen Ursprungsländern und in den Ländern wo die Schlepperbanden agieren und die den Ausgangspunkt der Flucht darstellen, erfolgen.
Kaum Perspektiven
Nach Informationen von Veronica Naqwor Kwabla, stellvertretende Chefredakteurin des Euronews-Schwestersenders Africanews besteht in den afrikanischen Ländern kaum ein Interesse daran den Schlepperbanden das Handwerk zu legen. Die Anstrengungen dafür, etwas zu ändern, halten sich in jedem Land in Grenzen. Schon im vergangenen Jahr gab es ein Treffen zwischen Vertretern der EU und afrikanischen Spitzenpolitikern, bei dem die EU einer Einrichtung eines Treuhandfonds für Afrika in Höhe von 1,8 Milliarden Euro zustimmte. Dieses stieß aber auch auf Probleme, da einige afrikanische Politiker die Summe als unzureichend empfanden, andere forderten gerechtere Handelsbeziehungen oder mehr Investitionen zur Lösung des Problems. Ein sehr großer Teil der Afrikaner verlasse ihre Heimatländer aufgrund der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit und Arbeitslosigkeit, so Veronica Naqwor Kwabla.
Undurchdachter Aktionismus der Europäischen Union
Derweil verfällt die Europäische Union in den altbekannten blinden Aktionismus und will Kriegsschiffe in libysche Gewässer entsenden und den Kampf gegen die Schleuserbanden aufnehmen. Man wolle ernsthaft mit der libyschen Übergangsregierung verhandeln und stellt dieser 100 Millionen Euro an Hilfen in Aussicht. Verhandlungen und Hilfen mit und für einen Staat, der als solcher faktisch gar nicht mehr existiert, in dem immer noch zwischen zahlreichen Gruppierungen um die Machtverhältnisse gekämpft wird und in dem der „Islamische Staat“ nach wie vor einen sicheren Hafen hat.
Bereits im Jahr 2010 wollte der damalige Staatschef Muammar Gaddafi, ganz wie jetzt der türkische Präsident Erdogan, 5 Milliarden Euro von der EU einstreichen, um die Weiterreise afrikanischer Flüchtlinge nach Europa zu unterbinden. Libyen sei das Eingangstor zur „unerwünschten Immigration“ nach Europa und könne nur innerhalb seiner Grenzen gestoppt werden. Es liege deshalb ganz im Interesse Europas auf seine Forderungen einzugehen, da sonst Europa schon morgen zu einem zweiten Afrika werden könne, so Gaddafi damals.
Quellen
n-tv, tagesschau.de, africanews, euronews, welt-online, european parlament
Titelbild: Während der von Frontex geführten Operation Triton im südlichen Mittelmeer rettet das irische Flaggschiff LÉ Eithne zahlreiche Flüchtlinge © Irish defense Forces, Lizenz: CC BY 2.0