Stabile Umfragewerte um die 5 % lassen die liberale Führungsriege und die Anhänger der FDP hoffen, dass der Wiedereinzug in den Bundestag bei der diesjährigen Wahl gelingen wird. Es ist das Jahr der Entscheidungen und gerade für die FDP geht es um viel, beinahe schon fast um alles. Nach vier Jahren der außerparlamentarischen Opposition scheint eine Rückkehr in den Bundestag unabdingbar, um das nackte Überleben der Partei zu sichern. Dennoch gibt es genügend Vorbehalte gegenüber der Partei innerhalb der Bevölkerung und eine liberale oder neoliberale Politik steht momentan alles andere als im Fokus und im Wohlwollen der europäischen Bürger. So kämpft die FDP um ihre politische Zukunft und bereits Anfang Januar, auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der Partei, schwor Parteichef Christian Lindner die Seinen auf den wohl wichtigsten Wahlkampf in der Geschichte der „ Freien Demokraten“ ein.
Doppelkandidat Lindner
Für Christian Lindner ist die schwierige Aufgabe, die sich der Partei dieses Jahr entgegenstellt auch eine persönliche Herausforderung, die sein eigenes politisches Schicksal besiegeln könnte. Lindner tritt als Spitzenkandidat sowohl bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, als auch bei der Bundestagswahl an. Im Rahmen des Dreikönigstreffens äußerte der FDP-Parteichef, dass die „Mitte“ derzeit die unbequemste politische Positionierung sei, aber auch die Wichtigste.
„Wir müssen uns gegen einen „angegrünten“ politischen Mainstream mit moralischen Absolutheitsanspruch und planwirtschaftlichem Denken auf der einen Seite und einem autoritären Gegenpol auf der anderen Seite durchsetzen. Wir halten aber abwägende Positionen für Freiheit, Vernunft und Toleranz für unverzichtbar“,
so Lindner gegenüber der Tagesschau.
Veränderung oder nur Schein?
Christian Lindner ist innerhalb seiner Partei unumstritten. Diese Tatsache dürfte auch im Wahlkampf eine entscheidende Rolle spielen und viele sprechen diesbezüglich schon von der „Ein-Mann-Partei“. Diese Art des personalisierten Wahlkampfes kommt nicht von ungefähr. Die Merkel-CDU hatte damit jahrelang großen Erfolg. Die politischen Themen wie Bildung, Wirtschaft und Sicherheit stehen hierbei ganz oben auf der Agenda der Freien Demokraten. Lindner hat die Partei umgekrempelt und diese hat sich einer Art Runderneuerung unterzogen, aber hat sie sich deshalb auch von Grund auf verändert? Neuer Anstrich, neue Farben sind nicht alles. Die Frage wird lauten, ob die FDP in der bundesdeutschen Politiklandschaft wirklich noch gebraucht wird und wie dieses im Empfinden des Wählers zu Buche schlägt.
Nach Meinung vieler FDP-Politiker habe sich die Partei in der jüngeren Vergangenheit viel breiter aufgestellt und habe den Kurs des ewigen „Steuer-Runter-Liberalismus“ hinter sich gelassen. Doch ganz ohne geht es dann wohl auch nicht. Erst vor zwei Tagen schlug Christian Linder vor die Grunderwerbsteuer für Hauskäufer zu streichen. Die Befreiung soll für selbst genutzte Wohnungen und Häuser bis zu einem Kaufpreis von 500.000 Euro gelten. Linder argumentierte, dass es vielen Menschen trotz zweier Einkünfte kaum noch möglich sei, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. „Der Freibetrag für die Grunderwerbsteuer ist für uns ein Baustein zu einer breiten steuerlichen Entlastung der Mittelschicht“, sagte Lindner. – Also doch wieder die üblichen FDP-Steuersenkungsforderungen der Vergangenheit?
Bundestag, drei Wahlen und Personalien
Auch Katja Suding, FDP-Landeschefin in Hamburg betonte die Wichtigkeit von Steuersenkungen. Zudem forderte sie aber auch das Setzen anderer Schwerpunkte. Suding sieht in der Realisierung guter Schulen die beste Sozialpolitik und plädiert auch in Zeiten des Terrorismus dafür die Freiheitsrechte der Bevölkerung im Blick zu behalten. Suding kennt sich aus mit harten Wahl- und Überlebenskämpfen ihrer Partei. Zweimal führte sie die Partei aus fast auswegloser Lage zurück in die Hamburger Bürgerschaft. Nun kandidiert sie für den Bundestag.
Neben Nordrhein-Westfalen wird auch im Saarland und in Schleswig-Holstein gewählt. Dürfte es in Saarbrücken schwierig für die FDP werden, sieht man in Kiel sehr gute Chancen. Das dürfte vor allem an Wolfgang Kubicki liegen, der seit 25 Jahren die dortige FDP-Fraktion führt und bei der letzten Wahl nicht erwartete 8,2 Prozent erreichte. Der 64-jährige Kubicki ist ein Mann der „alten Schule“, mit klarer Kante und deutlichen Aussagen. Im Gegensatz zu Parteichef Lindner, der mit seinem spröden Charme immer zwischen Lieblingsschwiegersohn und Sparkassenleiter tendiert, ist Kubicki kein „Saubermann“. Vielleicht gehört er gerade deshalb zu den beliebtesten Politikern im Norden.
Kubicki, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei ist, könnte allerdings auch auf dem Sprung nach Berlin stehen. Er steht für die inhaltliche Kontinuität der Partei und sieht deren Niedergang im Jahre 2013 vor allem darin, dass die Menschen den damaligen Partei-Führungskräften eine Umsetzung der inhaltlichen poltischen Maßnahmen nicht zugetraut haben.
„In der Bundespolitik fehlt es derzeit an einer politischen Kraft der wirtschaftspolitischen Vernunft sowie an einer entschlossenen Verteidigung des Rechtsstaates“,
so Kubicki. Ein Dorn im Auge sind Kubicki hierbei besonders die Rentenbeschlüsse der großen Koalition und die Umsetzungen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles für Teilzeitbeschäftigte. Nach seiner Auffassung sei so etwas für kleine und mittlere Unternehmen kaum zu leisten.
Fraktion und mögliche Rolle
Die Frage bleibt dennoch offen, ob die Tradition und die immer wieder kehrenden Themen zum Anspruch einer angeblich erneuerten Partei passen? Streit über die derzeitige Ausrichtung gibt es innerhalb der Partei jedenfalls nicht. Wo sich früher noch Präsidium und Fraktion, führende Parteiköpfe und Repräsentanten der Partei gegenseitig belauerten und offene Machtkämpfe ausfochten, herrscht heute traute Gemeinsamkeit. An jeder Stelle wird das gute Verhältnis untereinander und zu Parteichef Lindner angemerkt. Gelingt der Partei tatsächlich der Sprung in den Bundestag, könnte diese bald zu ihrer Lieblingsrolle als „Zünglein an der Waage“ zurückkehren. Selbst eine Regierungsbeteiligung könnte bei den unsicheren Mehrheitsverhältnissen und den erheblichen Einbußen der „großen“ Parteien durchaus im Bereich des Möglichen sein.
Über mögliche Koalitionen machte Christian Lindner keine Zusagen.
„Es gebe keinen natürlichen Verbündeten“,
so Linder.
„Die FDP wird nur regieren, wenn sie ihre Inhalte mindestens in Teilen umsetzen kann!“
Wichtig ist der Parteiführung natürlich auch die Stärkung und Mobilisierung ihrer Stammwählerschaft aus Selbstständigen und dem Mittelstand. Außerdem geht es darum mehr Eigenständigkeit herauszustellen. Führende Politiker der Partei erklärten übereinstimmend, dass es keine offene Zweitstimmenkampagne wie in der Vergangenheit geben dürfe, bei der man kläglich bettelnd um Leihstimmen von der Union warb.
Die FDP kann es durchaus wieder in den Bundestag schaffen, auch wenn sie ihre Grundausrichtung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik kaum verändert hat. Das ist auch die Überzeugung vieler Politikwissenschaftler. Nach ihrer Meinung ist die FDP weiterhin der „marktliberale Pol im Parteiensystem“. Auf Länderebene hat sich gezeigt, dass die Partei auch ohne grundlegende inhaltliche Änderungen politische Arbeit verrichten kann. Das gilt auch auf europäischer Bühne, wo die Liberalen momentan ohnehin einen noch schwereren Stand haben.
Der FDP-Europapolitker und Vizepräsident des Europaparlamentes Alexander Graf Lambsdorff ist hier ein für die Partei wichtiger Vertreter. Erst gestern forderte Lambsdorff erneut einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Nach seiner Auffassung sieht der Internationale Währungsfonds (IWF) die Schuldentragfähigkeit Griechenlands als nicht mehr gegeben an und schließt deshalb eine Beteiligung des IWF an einem dritten Hilfspaket für das Land aus. Der deutsche Finanzminister Schäuble hatte versprochen dem Hilfspaket für Griechenland nur dann zuzustimmen, wenn auch der IWF einsteigt. Lambsdorff sprach sich nun dafür aus die Dinge „abschließend zu begradigen“.
FDP-Chef Lindner unterstützt die Forderung Lambsdorffs und forderte ebenfalls den „Grexit“. Lindner sieht einen Schuldenerlass und eine Entschuldung Griechenlands als unabdingbar an, aber dieses könne nur außerhalb der Euro-Zone erfolgen. In diesem Zusammenhang warf Linder Griechenland vor, Europa an der Nase herumzuführen und das der griechische Regierungschef Alexis Tsipras überhaupt nicht vor habe, die von der EU geforderten Reformen umzusetzen.
Zur laufenden Rentendiskussion äußerte der Parteichef gestern nochmals seine großen Bedenken hinsichtlich einer Erhöhung der Beiträge.
„Das sei kein Konzept, sondern eine Drohung für die Menschen in der Mitte der Gesellschaft“,
sagte Lindner. Er betonte dabei, dass seine Partei in dieser Frage das Gegenmodell zur SPD sei. Doch auch der neue Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, sprach sich dafür aus das gegenwärtige Rentensystem zu erhalten und massive Erhöhungen zu vermeiden.
Quellen
Deutschlandfunk, FAZ, Tagesschau, Handelsblatt, Stuttgarter Nachrichten, Westfälische Nachrichten, Frankfurter Rundschau, Hamburger Abendblatt, FDP.de, European Commission, Wikipedia