Syrien: Die finale Schlacht um Aleppo!

Aleppo on December 17, 2012

Waffenruhe hin oder her, für die syrische Großstadt Aleppo hat sie nie gegolten. Zu wichtig ist die ehemalige Metropole im Kampf um die Macht in Syrien. Inzwischen eigentlich vollends zerstört, klammern sich Kämpfer zahlreicher Rebellengruppierungen und Einheiten der syrischen Armee von Präsident Assad an den Ruinen fest, um eine finale Entscheidung im syrischen Konflikt zu erzwingen.

Humanitäre Katastrophe

Jan Egeland, bei den Vereinten Nationen zuständig für humanitäre Fragen in Syrien, blickt mit zunehmender Besorgnis auf die Kampfhandlungen in Aleppo und in anderen Landesteilen.

„Während die Menschen verbluten, können die Helfer ihrer Arbeit nicht nachgehen, denn auch sie werden angegriffen. Die Vereinten Nationen haben in den vergangenen Tagen zwei Konvois nach Homs geschickt. Einer wurde von einer Granate getroffen, der andere musste wieder anhalten, denn die gesamte Gegend war unter Beschuss. Wir werden unseren Plan nicht einhalten können, alle Menschen in Syrien zu erreichen!“,

so Egeland.
In Syrien leben noch etwa eine halbe Million Menschen in belagerten Städten. Sie erhalten nur unregelmäßig Lebensmittel und das Trinkwasser ist meist unsauber. Überall fehlt es an Medikamenten. Diese Menschen zu versorgen, war eine der Grundvoraussetzungen und Bedingungen der Verhandlungen in Genf. Das Internationale Rote Kreuz warnt vor einer humanitären Katastrophe, sollten die Kampfhandlungen um Aleppo weitergehen. Nach Angaben des zuständigen Leiters der Organisation in der umkämpften Stadt, fehlt es schon jetzt an genügend Medikamenten und Lebensmitteln. Alle Nachschubwege sind abgeschnitten.

Waffenruhe in Aleppo nicht eingehalten

Die Waffenruhe, die im Februar vereinbart wurde und seit langem brüchig ist, hatte in Aleppo von Anfang an keine Auswirkungen. Truppen der syrischen Armee und Verbände der russischen Luftwaffe nahmen nach eigenen Angaben seitdem Kämpfer ins Visier, die von der Feuerpause ausgenommen waren. Dazu gehören Kämpfer der Al-Nusra-Front und Einheiten des Islamischen Staates. Die Lage in Aleppo ist allerdings so verworren, dass keine klaren Grenzen zu ziehen sind, welche bewaffnete Gruppe wo kämpft.

Kämpfe und Luftangriffe

Am Donnerstag wurde bei einem Luftangriff ein von „Ärzte ohne Grenzen“ unterstütztes Krankenhaus in Aleppo zerstört. Dabei waren mindestens 30 Menschen getötet worden, darunter auch zwei Ärzte. Einer der Ärzte war der letzte praktizierende Kinderarzt in den Rebellenvierteln. Nach Angaben der Hilfsorganisation war das zerstörte Krankenhaus das wichtigste Referenzkrankenhaus für Kinderheilkunde in der Region. In den vergangenen Wochen hätten Kämpfe, Bombenangriffe und Todesopfer dramatisch zugenommen, so ein Sprecher von Ärzte ohne Grenzen. Aufgrund der massiven Kämpfe haben die SOS-Kinderdörfer ein Übergangsheim in der syrischen Stadt evakuieren müssen und die Kinder in Einrichtungen in Damaskus in Sicherheit bringen können. Auch hier war am Donnerstag, etwa 50 Meter neben dem Kinderheim in Aleppo eine Rakete detoniert und habe das Gebäude beschädigt. Mindestens 20 Menschen seien bei dem Angriff getötet worden, so die Leiterin der SOS-Kinderdörfer im Nahen Osten, Alia Al-Dalli, die gleichzeitig an alle Konfliktparteien in Syrien appellierte, die Gewalt zu stoppen und den Waffenstillstand einzuhalten.
Bei einem Granatenangriff auf eine Moschee wurden nach dem Freitagsgebet mindestens 3 Menschen getötet und 25 verletzt. Nach Agenturangaben wurde die Granate von Kämpfern der syrischen Rebellen abgefeuert. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete zeitgleich von einem erneuten Luftangriff, diesmal von der syrischen Luftwaffe, wobei eine Gesundheitsstation der Rebellen getroffen wurde. Auch hier starben mindestens 3 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Ebenfalls beschossen wurde das russische Generalkonsulat in Aleppo. Mehrere Granaten schlugen bei einem Angriff durch die Al-Nusra-Front auf dem Konsulatsgelände ein. Auch Angriffe auf einen Markt wurden gemeldet, eine offizielle Bestätigung hierfür gibt es bislang aber noch nicht.

Gescheiterte Diplomatie

Der Deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Angriffe, wie die auf die Klinik in Aleppo, als Verstoß gegen grundlegende Normen des humanitären Völkerrechts. Die politischen Bemühungen um eine Friedenslösung, würden dadurch gefährdet. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ächtete bewaffnete Angriffe auf Zivilisten als unentschuldbar. Sie verstießen gegen Menschenrechte. Die Kriegsparteien müssten ihre Kampfhandlungen einstellen, so Ban am Freitag. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, wertete die Angriffe auf Märkte und Krankenhäuser als „monströse Missachtung des Lebens von Zivilisten“ durch alle Konfliktparteien. Seiner Ansicht nach bewege sich das Niveau der Kämpfe auf das vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands zu.
Die USA fliegen nach eigenen Angaben nur noch Luftschläge gegen Stellungen des Islamischen Staates, der sich nicht in Aleppo befindet. Außerdem kündigte US-Präsident Obama an, er werde 250 zusätzliche Soldaten nach Syrien entsenden, die örtliche Kräfte im Kampf gegen den IS unterstützen sollen. Dieses wurde von russischer Seite scharf kritisiert. Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow äußerte seine Besorgnis darüber, dass die USA solche Entscheidungen ohne Zustimmung der legitimen Regierung Syriens vornehmen und sprach von einer groben Verletzung der Souveränität. Dennoch einigten sich anscheinend die USA und Russland über eine Feuerpause für große syrische Städte, was verschiedene Diplomaten bestätigten. Die Vereinbarung soll für das Gebiet Damaskus für 24 Stunden und für Latakia sogar für 72 Stunden gelten. Kein Wort über Aleppo.

Quellen

Die Welt, FAZ, Spiegel-Online, Neue Züricher, Sputnik, Tagesspiegel, N-TV, Frankfurter Rundschau, Deutschlandfunk, tagesschau.de
Titelbild: A man removes debris of a truck damaged after a mortar shell hit a street killing several people in the Bustan Al-Qasr district of Aleppo, on December 17, 2012 © Freedom House, Lizenz: CC BY 2.0

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