In Syrien schweigen die Waffen noch lange nicht!

Saadallah after the explosion

„Islamischer Staat“ erobert Ortschaft in Nordsyrien zurück

Augenscheinlich waren die Kräfte des „Islamischen Staates“ in der letzten Zeit in Syrien in die Defensive gedrängt worden. Letzte Woche hatten von der Türkei unterstütze Verbände der Freien Syrischen Armee (FSA) im Norden des Landes die strategisch wichtige Ortschaft al-Rai eingenommen. Am heutigen Tag wurde die Ortschaft nun nach heftigen Kämpfen von den Extremisten zurückerobert. Al-Rai liegt nördlich der Metropole Aleppo in unmittelbarer Grenznähe zur Türkei

Keine Waffenruhe in Sicht

Die für Syrien ausgehandelte Waffenruhe ist brüchig und wird von vielen Seiten nicht eingehalten. Die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ziehen derweil den Ring um Aleppo immer enger und haben eine Großoffensive für die Rückeroberung der Großstadt angekündigt. Am heutigen Tag flog die syrische Luftwaffe einige Angriffe auf Aleppo, bei denen auch „Fassbomben“ abgeworfen wurden. Gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax erklärte der syrische Regierungschef Wael al-Halki, dass ein entsprechender Großeinsatz vorbereitet werde, um Aleppo zu befreien und alle illegal bewaffneten Gruppen zu besiegen, die der Waffenruhe nicht beigetreten sind oder diese gebrochen haben. Al-Halki verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern.

Lage in der Region weiter sehr unübersichtlich

Da die Lage in Syrien weiterhin unübersichtlich ist, sind auch die Angaben zu den Opferzahlen unterschiedlich und beziehen sich auf verschiedenste Quellen. Bei den Gefechten um Aleppo zwischen Kräften der Al-Nusra Front und der syrischen Armee sollen binnen 24 Stunden mindestens 35 Menschen getötet worden sein, so die Aussagen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien. Immerhin sei die Anzahl der zivilen Opfer seit Beginn der Waffenruhe deutlich zurückgegangen, da es praktisch keine Luftangriffe auf Wohngebiete mehr gibt. An den verschiedenen Frontabschnitten wird aber weiter gekämpft.

Weitere Friedensgespräche

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ist die syrische Regierung zu weiteren Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen bereit. Das hat sich anhand von Gesprächen der syrischen Regierung mit dem UN-Sonderbeauftragten Staffan de Mistura in Damaskus herauskristallisiert. Allerdings warf der syrische Außenminister Walid al-Mualem den Rebellen vor, im Auftrag der Türkei und Saudi-Arabiens, die Waffenruhe immer wieder zu verletzen.  Die Friedensgespräche sollen am 15. April in Genf fortgesetzt werden, waren ursprünglich schon für den 11. April terminiert, doch wurde dieser Termin von der syrischen Regierung die UN-Aufrufe hierfür ignoriert hatte. Für einen realen Fortschritt in Bezug auf die syrische Situation zeugen immerhin andere Tatsachen. So arbeiten die amerikanische und die russische Seite intensiv an einer neuen syrischen Verfassung und tauschen hierzu weiterführende Ideen aus. Neben diplomatischen Anstrengungen versuchen die USA und Russland auch andere Belange gemeinsam zu lösen. So wurde dank russischer Vermittlung der 2012 in Syrien festgesetzte US-Bürger Kevin Dawes freigelassen. US-Präsident Barack Obama hatte sich persönlich an Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit der Bitte um Hilfe gewandt.

Oase des Friedens

Im äußersten Nordosten Syriens, in Grenznähe zur Türkei liegt die Stadt Qamischli. Der gesamte Landstrich, überwiegend von Kurden bewohnt, scheint mit dem Rest des vom Bürgerkrieg zerfallenen Landes nichts gemein zu haben. Nachts wird zu lauter Musik gesungen, getanzt und getrunken und am nächsten Morgen öffnen die Geschäfte. Auf dem großen Markt kaufen die Menschen für den Tag ein. Nur ab und an dröhnt das tägliche Artilleriefeuer von der anderen Seite der Grenze, wo die türkische Armee in der Stadt Nusaybin gegen Milizen der verbotenen türkischen Arbeiterpartei PKK im Einsatz ist. Die autonome Kurdenregion in der seit zwei Jahren bereits Regionalregierungen und Verwaltungen aufgebaut worden sind, soll ein föderales Regierungssystem erhalten, weitgehend unabhängig von Damaskus.
Nach Aussagen des Premierministers des Kantons Dschasira, Abdelkarim Zarukan, wird intensiv an solch einem föderalen System gearbeitet, unter Einbeziehung aller ethnischen Gruppen und Minderheiten. Diese Planungen wurden bisher von der Regierung immer strikt abgelehnt. Auch die Türkei hat kein Interesse an einem autonomen Kurdengebiet im Norden Syriens und des Iraks. Auf Dauer können die Kurden und auch die mit ihnen verbündeten arabischen Kämpfer allerdings nicht ungehört bleiben und ignoriert werden. Eine sehr starke Militärfraktion stellen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), eine Allianz von kurdischen, christlichen, arabischen und turkmenischen Milizen und sind der erfolgreichste Verband im Kampf gegen den „Islamischen Staat“.
Zu den Genfer Friedensgesprächen ist keine Vertretung dieser Fraktion geladen worden. Stattdessen sind es islamistische Rebellengruppen, wie die Miliz Dschaisch al-Islam (Islamisches Heer), die derzeit den kurdischen Stadtteil Aleppos wahllos mit Raketen und Mörsern beschießen und  mit ihrem Chefunterhändler Mohammed Allousch am Verhandlungstisch in Genf sitzen.

Quellen

Reuters, Bloomberg, n-tv, spiegel-online, welt-online, sputnik, Salzburger Nachrichten, N24, IHS-Conflict Monitor
Titelbild: 3 Car bombs hit the central Saadallah al-Jabiri square in Aleppo © Zyzzzzzy, Lizenz: CC BY 2.0

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein