Heute möchte ich Ihnen eine ganz besondere Technik vorstellen, die es Ihnen ermöglicht heftige Gefühle und Reaktionsmuster aus dem Unterbewusstsein zu identifizieren. Es ist eine meiner Lieblingstechniken. Sie erscheint relativ unscheinbar, ist sehr einfach, wirkt dennoch äußerst effektiv. Wenn Sie diese Technik täglich, oder auch nur wöchentlich anwenden, so erlangen Sie allmählich ein bewussteres Denken und Selbstgewahrsein; nehmen so auch erneuten Bezug zu ihrem Körper und Wesen auf; und können dadurch wieder Ihr Leben selbstbestimmt gestalten, anstatt in verkrusteten und automatischen Abläufen zu verharren.

Der moderne Mensch – Ein Leben auf Autopilot

Der durchschnittliche Mensch, besser gesagt der „westlich“ geprägte moderne Leistungsmensch, der tief in dem Konzept des Geldverdienens verhaftet ist, hat wenig bis gar keinen Sinn für die Feinheiten seines Alltags, und verbringt seine Tage mehr oder weniger auf Autopilot. In diesem Alltag auf Sparflamme denken wir zwar über vieles nach, doch das allermeiste davon ist belanglos und für das Verständnis unseres Daseins unwesentlich. Dieser Autopilot sorgt dafür, dass wir z.B. den lästigen Arbeitsalltag, monotone Tätigkeiten und diverse andere Verpflichtungen überstehen bzw. von diesen relativ unberührt bleiben, indem wir innerlich auf unbeteiligt und bezugslos schalten, und so alles an einen Automatismus delegieren. Dadurch überstehen wir zwar den Alltag – und das Leben -, aber erkaufen uns dies durch eine innere Bezugslosigkeit zu uns und der Welt.
Manche Automatismen sind ziemlich ausgereift und bis zu einem gewissen Grad sogar vorteilhaft, im Grunde jedoch eine denkbar schlechte Lebensstrategie – auf allen Ebenen. Wir erleben uns so als Opfer von äußeren Umständen, statt als Gestalter unserer Welt bzw. Lebenswirklichkeit – Innen wie Außen – zu agieren. Es ist eine, für alle Menschen nachvollziehbare Tatsache, dass man auf Autopilot nur sehr unflexibel mit alten – und oft falschen Strategien auf Probleme reagieren kann. Jedes Problem benötigt aber immer auch eine neue Lösungsstrategie. So kommt es, dass wir uns im Alltag in immer schwerer zu lösende Knoten verstricken, die Realitäten zudecken, und so die Ursachen dieser geistigen Knoten verzerren… oder anders formuliert: Wir laufen auf der Stelle und lassen so unnötig wertvolle Energie zur Lösung von Schwierigkeiten verpuffen.
Leider kann man sich nicht ständig in absolutem Gewahrsein üben – bei so manchen monotonen und langweiligen Arbeitstag, ist es vielleicht sogar ratsamer auf Autopilot zu schalten und auf Sparflamme zu köcheln. Um den Knoten zu lösen, der sich im Laufe der Arbeitswoche angesammelt bzw. aufgestaut hat, und ein Selbstgewahrsein zu entwickeln, reicht es zum Glück aus, die weiter unten beschriebene einfache „Zen-Fragetechnik“ am Ende eines jeden Tages oder am Ende einer Woche anzuwenden. Am besten wenden Sie diese Technik an, wenn Sie sich besonders gestresst und ausgelaugt fühlen – diese Symptome sind nämlich die deutlichsten Hinweise darauf, das Sie allzu lange auf Autopilot, und somit ohne Selbstgewahrsein gelebt haben. Sie haben hierdurch Ihre wahren inneren Bedürfnisse ignoriert. Fangen Sie also an auf die Symptome aus ihrem Inneren (oder höheres Selbst) zu hören – Stellen Sie sich Fragen und hören Sie einfach hin.

Das Befragen der höheren Intelligenz – Zen-Fragetechnik und Zen-Koan

Die Zen-Fragetechnik folgt dem gleichen Prinzip wie ein Zen-Koan, bei dem – in leichter Abwandlung – über eine Frage meditiert wird. Denkt man unzählige Male über ein und dieselbe Frage nach, so durchbricht man irgendwann die gewohnten Denkmuster und Lösungswege; man transzendiert den Alltagsgeist und wechselt zum höheren Selbst. Das Gehirn oder der Geist sucht immer nach einer Antwort zu einer Frage – um jeden Preis. Findet das Gehirn auf einer anfänglichen Ebene (Alltagsbewusstsein) keine Antworten – oder sind Sie mit seinen Antworten nicht zufrieden -, so überlässt es die Beantwortung der Fragen einer höheren Intelligenz bzw. überträgt diese an eine höhere Bewusstseinsebene, dem sogenannten „höheren Selbst“, dass dann aus ganz tiefen, dem „Alltags-Ich“ verborgenen Dimensionen des Geistes nach Antworten sucht – und diese auch findet. Mit jeder weiteren „Warum“-Frage die Sie stellen (auch nach dem Warum des Warums), gelangen Sie in immer tiefere Schichten der Einsicht und des Gewahrseins, und so auch zu den eigentlichen Ursachen für ihre destruktiven Reaktionen und Gefühle. Stellen Sie sich immer weitere Fragen nach dem Warum, so ist ihr Verstand irgendwann mit seinem Latein am Ende und übergibt die Beantwortung der Fragen vollkommen an die höheren Bewusstseinsebenen – diese sind sehr viel kreativer und intelligenter, weil ganzheitlicher.

Beispiele für Fragen der Zen-Fragetechnik

  • Frage: Warum habe ich so heftig auf die Anschuldigungen meines Partners reagiert?
    Antwort: Weil ich Angst davor hatte, ihn zu verlieren!
  • Frage: Warum hatte ich Angst meinen Partner zu verlieren?
    Antwort: Weil man in meinem fortgeschrittenen Alter nur sehr schwer einen neuen Partner finden kann!
  • Frage: Warum denke ich, dass ich in meinem Alter (z.B. 45) keinen neuen Partner mehr finden kann?
    Antwort: Ich bin zu unattraktiv!
  • Frage: Warum denke ich, dass man in diesem Alter zu unattraktiv auf einen neuen Partner wirkt?
    Antwort: Jetzt sind Sie dran mit der Beantwortung….

Weitere Hinweise zur Zen-Fragetechnik

Seien Sie bei der Beantwortung der aus ihrem Unterbewusstsein aufsteigenden Fragen ungezwungen und spontan. Die erste Antwort, die aus ihnen aufsteigt, ist immer die bestmögliche. Manchmal tauchen auch Fragen und Antworten auf, die den vorherigen ähneln, oder sogar dieselben sein können. Bleiben Sie geduldig. Sie werden mit jeder weiteren Frage und Antwort Runde, auch wenn es nicht so scheint, immer tiefer zur Wurzel und damit zur Lösung gelangen.

Die Zen-Fragetechnik – Eine Schritt für Schritt Anleitung

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle weitere Erklärungen zur Theorie – so z.B. über das Gewahrsein und die Bewusstheit ersparen. Machen wir uns gleich ans Eingemachte und beginnen gleich mit der Anleitung zur Zen-Fragetechnik. Alles was Sie zur Durchführung der Zen-Fragetechnik benötigen, ist ein wenig Zeit (ca. 15-20 Minuten)

Schritt 1:

Suchen Sie einen ruhigen Platz auf, an dem Sie sich auch sicher sein können, dass Sie von niemandem gestört werden. Schalten Sie ihre Telefone ab; schicken Sie den Partner mit den Kindern auf einen langen Spaziergang; und sagen Sie alle Verabredungen ab; sorgen Sie für eine freie Zeit ohne jegliche Verpflichtungen. Diese Zeit und dieser Platz gehört ganz alleine Ihnen – schließlich sollen unbewusst gehaltene und destruktive Gefühle und Reaktionsmuster identifiziert bzw. aufgedeckt werden, um sie so abbauen zu können. Und hierzu benötigt man nun mal absolute Konzentration und Stille. Wenn diese Idealbedingungen hergestellt sind, dann setzen Sie sich hin und denken Sie an ein starkes und unangenehmes Gefühl oder über eine heftige Reaktion. Es sollte sich um eine Situation aus ihrem Alltag handeln. Atmen Sie bei diesem ersten Schritt – und den 2 darauffolgenden – ruhig, tief und gleichmäßig ein und aus.

Schritt 2:

Beschreiben Sie in wenigen Sätzen die Situation, die in Ihnen dieses Gefühl oder diese Reaktion ausgelöst hat. Stellen Sie sich nun folgende konkrete Fragen, und schreiben Sie die Antworten in Ihr schon bereitliegendes Notizbuch:

  • Welche Situation hat mein Gefühl bzw. meine Reaktion ausgelöst?
  • Was habe ich daraufhin gesagt oder getan?

Mit der ernsthaften, konzentrierten und disziplinierten Beantwortung dieser zwei simplen Fragen, hätten Sie sich das belastende Ereignis wieder vergegenwärtigt und konstruktiv über seine Inhalte nachgedankt. Sie haben unbewusstes Material auf die bewusste Ebene geholt. Mit dem Ergebnis aus diesen Einstiegsfragen, haben Sie die Grundlagen für die eigentliche Zen-Fragetechnik geschaffen – die „Warum“-Fragetechnik (ähnlich dem Zen-Koan).

Schritt 3:

Dieser letzte Schritt ist sehr unscheinbar, doch von durchschlagender Kraft. Sie stellen und beantworten sich einfach eine Reihe von „Warum“-Fragen, und zwar solange, bis Sie an einen Punkt gelangen, an dem Sie ein untrügliches, aber deutliches, nicht zu leugnendes, quasi ihr ganzes Wesen erfassendes Gefühl haben, das diese eine letzte Antwort auf eine „Warum“-Frage, die wirklich letzte Antwort ist. Ist diese Antwort ihrem Gefühl nach wirklich ursächlich für ihr Thema? Schreiben Sie alle Fragen und Antworten, vor allem aber die letzte Antwort, in ein Notizbuch. Im Idealfall, sind Sie im Anschluss an diese Übung ein großes Stück bewusster geworden; und sind auch klarer in Bezug auf ihre Innen- und Außenwelt, sie sind einfach viel entlasteter und selbstbestimmter; sie haben den Autopilot unterbrochen, Verborgenes aufgedeckt, und wissen nun ganz genau wie Sie fühlen und reagieren.
Titelbild: Zen, Buddha statue with a thought bubble © Axel Naud, Lizenz: CC BY 2.0

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